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Im Urlaub gelesen - Buchvorstellungen

Drei Bücher habe ich an der Nordsee gelesen. Eines leicht und fluffig, eines zum Dahinschmelzen und eines mit emotionalem Warnhinweis von mir. Zu Hause kam dann ein Geschenk hinzu, das ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Der Reihe nach - hier sind sie:


Gelesen von Ingrid Noll: Hab und Gier

Anja Kolberg: Gar nicht mehr weg wollte ich von Karla und ihren Weggefährten. So schnell war die Geschichte in typischem Ingrid Noll Stil verschlungen. Was diesen Stil ausmacht? Kurzweilige Erzählungen mit überraschenden Wendungen und Blicke in menschlich nachvollziehbare Abgründe. Es geht bei Ingrid Nolls Krimis nicht um Polizeiarbeit und Kommissare, also nicht darum, den Mörder ausfindig zu machen. Wir wissen ja eh längst, wer der Täter ist. Denn Ingrid Noll ist bei den Tätern, erzählt uns amüsant ihre Geschichten und lässt ganz nebenbei lästige Weggefährten das Zeitliche segnen.

Die Geschichte: Frisch berentet wundert sich Bibliothekarin Karla über die Einladung ihres ehemaligen Kollegen Wolfram. Der hat jüngst seine Frau verloren und auf deren Grabstein eine seltsame Inschrift hinterlassen. Was will er von ihr? Der Rentner unterbreitet ihr ein unmoralisches Angebot, so verlockend, dass Karla kaum Nein sagen kann. Es winkt eine Erbschaft, die sie gut brauchen kann. Ist sie bereit, dafür die Legalität hinter sich zu lassen, um Wolframs Wünsche umzusetzen? Eine junge Kollegin und deren undruchsichtiger Freund wollen helfen - nicht ohne Hintergedanken.

Schwups, war ich drin, ist dieser herrlich verrückten und amüsanten Geschichte. Zum Weglesen gut!

Ingrid Noll: Hab und Gier; Diogenes Verlag; Erschienen 2014; 256 Seiten; ISBN 978-3-257-06885-6




Geschenkt bekam ich 'Alle meine Wünsche' von Grégoire Delacourt:

Anja Kolberg: Das Buch liegt mit seinen 127 Seiten leicht in der Hand und lässt sich ebenso konsumieren. Einige Stunden Vergnügen, die so dahin schmelzen wie köstliches Eis. Ideal für einen Liegestuhl, einen Sitzplatz am Fenster der Bahn oder vorm Einschlafen im Bett. Macht froh. Es müsste mehr so kurze Bücher geben.

Die Geschichte: Jocelyne erzählt uns von ihren nicht gelebten Wünschen, von Verzicht und ihrem Leben als Besitzerin eines Kurzwarenladens. Ihr Ehemann - ja, er ist nicht das Beste in ihrem Leben, aber er ist da. Die Kinder sind aus dem Haus und sie beginnt einen Blog über ihre Arbeit zu schreiben. Dann ermutigen die Frisörzwillinge aus der Nachbarschaft sie, ein Lotterielos zu kaufen und das Leben nimmt eine Wendung...

Es war schön zu lesen, dass noch andere Menschen ungelebte Träume haben, wie die sich manchmal noch erfüllen und wie wenig wirklich wichtig im Leben ist. Das große Geld nur manchmal...

Grégoire Delacourt: Alle meine Wünsche; Heyne Verlag; Taschenbuch-Ausgabe - erschienen 3/2014; 127 Seiten; ISBN 978-3453410367

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Erstellt durch: Anja Kolberg am Freitag, 25 April, 2014
Thema: Blog - 2014, 1. Halbjahr, Buch: Schmöker

Gelesen: Das Haus am Leuchtturm

Anja Kolberg: Ich hätte gerne mehr Zeit mit Libby, Isabella und ihren Gefährten verbracht. Einmal in die Geschichte hinein gefunden, konnte ich kaum mehr aufhören. Auf den letzten 20 Seiten überlegte ich, wie ich den Genuss in die Länge ziehen könnte: Langsamer lesen?

Kimberley Willkins schreibt herrlich. Wie in Der Wind der Erinnerung verwebt sie die Geschichten zweier Frauen miteinander:

Libby hat ihre große Liebe verloren. Marc Winerbourne war zwölf Jahre ihr Geliebter und Auftraggeber. Nach seinem Tod verlässt sie im Jahr 2011 Paris, um in ihre Heimat Australien zurück zu kehren. Dort wartet nicht nur das Haus am Leuchtturm, welches Marc ihr schenkte. Sondern auch ihre Schwester, zu der sie seit 20 Jahren keinen Kontakt hatte. Eine große Schuld, die sie als Jugendliche auf sich geladen hat, macht eine Versöhnung unmöglich. Und soll sie sich für ihre Familie oder für das große Geld, das unerwartet winkt, entscheiden?

Im Jahr 1901 besteigt Isabella Winterbourne ein Schiff in England - zusammen mit ihrem verhassten Ehemann, Sohn der berühmten Juweliersdynastie. Sie sollen der australischen Regierung ein kostbares Schmuckstück überreichen, das sie im Auftrag der Königin fertigten. Kurz vor dem Ziel geraten sie in einen Sturm. Isabella überlebt als einzige und landet an einem einsamen Strand. Wie soll sie weit ab der Zivilisation überleben? Eines will sie auf keinen Fall loslassen: Das Schmuckstück, das sie hinter sich her in einer schweren Kiste zieht. Doch es ist nicht der kostbare Regierungsstab... Vor vielen Monaten in England verlor sie ihren Sohn nach nur zwölf Tagen Leben und sie durfte nie um trauern. Wie kann sie zu ihrer Kraft zurückfinden? Ergibt sich die Chance für ein Neuanfang abseits der Fänge der schwierigen Familie, in die sie eingeheiratet hat?

Kimberley Wilkins schreibt von der Trauer um geliebte Menschen und wie beide Frauen ihren Weg nach diesem Umbruch zurück ins Leben finden. Besonders schwer ist es für die Mutter, die ihr Kind verloren hat. Isabella geht durch Schmerz, weil es ihr verboten ist, zu trauern. Wir dürfen sie auf ihrem ganz persönlichen Weg der Heilung begleiten, den ich beeindruckend authentisch geschildert fand. Auch Libby hat zu kämpfen, weil sie zwar der Trauer in Paris entflieht, aber der nächsten Herausforderung in ihrer Heimat gegenübersteht. Es geht bei beiden Geschichten um Vertrauen, um schwesterliche Verbindungen, das Überwinden von Schuld, Versöhnung, Neuanfang, den Wert der Familie und - natürlich um die Liebe. Lesenswert schön!

Kimberley Wilkins: Das Haus am Leuchtturm; Knaur Verlag; Erschienen 8/2013; 496 Seiten; ISBN 978-3-426-65290-9

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Erstellt durch: Anja Kolberg am Freitag, 25 April, 2014
Thema: Blog - 2014, 1. Halbjahr, Buch: Schmöker

Gelesen: Tanz auf Glas

Die Geschichte:

Lucy liebt Mickey, der an einer bipolaren Störung leidet. Der kann sein Glück nicht fassen: Diese tolle Frau interessiert sich für ihn, trotz seiner Krankheit. Nun, Mickey liebt auch Lucy, die ihre Mutter wie auch weitere Verwandte früh an den Brustkrebs verlor. Beide erzählen uns zuerst ihre Liebesgeschichte. Geschrieben aus der Ich-Perspektive: Lucy als Erzählerin. Mickey über Tagebucheintragungen. Das lässt alles Geschehen sehr nah an uns heran treten.

Wir erfahren viel über die Krankheit Mickeys, seine Symptome, Medikamente. Wir erleben Klinikaufenthalte, Manie und Depression und wie die Auswirkungen auf sein Leben und das seines Umfeldes ist. Seine Ehefrau Lucy geht damit erstaunlich gelassen und stark um. Ihre Schwestern, mit denen Lucy stark verbunden ist, können es kaum fassen.

Das Ehepaar schwor sich vor zwölf Jahren aufgrund ihrer Krankheiten, keine Kinder zu bekommen. Doch dann passiert es: Lucy wird schwanger, trotz Sterilisation. Das wirft das Paar und die gesammte Familie in tiefe Auseinandersetzungen, besonders als Mickey seine Medikamente zur Stimmungsstabilisierung wieder unregelmäßig nimmt und Lucys Frauenärztin plötzlich eine dringende zusätzliche Gewebeuntersuchung ihrer Brust verordnet.

Ein gutes Buch. Trotzdem eine mir wichtige Warnung für alle zart besaiteten wie ich es bin: Die Geschichte ist sehr traurig. Ich kann mich nicht erinnern, bei einem Buch über einen so langen Zeitraum so gelitten und geweint zu haben. Achtung Spoileralarm (heißt, nicht weiterlesen, wenn Sie die Geschichte Schritt für Schritt entdecken wollen, denn ich verrate jetzt mehr über die Geschichte):

Wir beobachten das Sterben einer werdenden Mutter an Brustkrebs, die sich gegen eine Behandlung entschieden hat, um das Kind auf die Welt zu bringen. Dabei erleben wir hautnah, welchen Schmerz dies ihrem Mann, ihren beiden Schwestern, ihr selbst und letzten Endes auch uns, als Leserin bereitet. Ich hätte mir diesen Hinweis gewünscht, denn am Tag nachdem ich das Buch endlich ausgelesen hatte (ich las das Buch Gott sei dank im Urlaub) waren meine Augen so geschwollen vom Weinen, dass ich Ruhe brauchte und ziemlich mitgenommen war. Ich hätte mir diesen Hinweis gewünscht, auch wenn ich das Buch wegen des Hinweises vielleicht nicht gelesen hätte. Denn einmal angefangen, wollte ich auch wissen, wie es ausgeht, ich konnte es nicht zur Seite legen, obwohl ich ahnte, wie die Geschichte weiter geht.

Dennoch ist dieses Buch gut. Weil es voller Tiefe, Weisheit und detaillreicher authentischer Beschreibungen rund um das Thema bipolare Störung und Krebs ist. Weil wir viel zwischenmenschliche Wärme, ein Miteinander und Füreinander in der Familie und Nachbarschaft und Freunden erleben, die gut tut und Hoffnung selbst in ausweglosen Situationen macht. Die Autorin Ka Hancock erzählt so realistisch, als hätte sie die Geschichte hautnah erlebt. Bezogen auf die bipolare Störung (Typ 'fast cycling') mag das an ihrer Arbeit als Krankenschwester im psychiatrischen Bereich liegen. Interessant fand ich die beiden Perspektiven, wie der Betroffene selbst seine Krankheit erlebt, wie seine Frau damit umgeht, welche Hilfen sie sich im Alltag bauen und wie sehr seine Frau an ihn glaubt, mehr als er selbst oder ihre Familie.

Es lohnt sich auch zu lesen, weil es Mut macht, selbst abgrundtief schlimme Schicksalschläge zu überstehen. Nämlich Tag für Tag. Schritt für Schritt, als würde es nur ein heute geben. Die Auseinandersetzung mit dem Sterben einer jungen Frau ist grausam. 'Tanz auf Glas' zeigt trotz allem Schmerz - oder gerade deswegen - wie kostbar das Leben ist und trotz der dunkelsten Aussichten, für die es keinen Ausweg gibt, im hier und jetzt zu leben und zu genießen, was geht.

Und noch ein Grund, es zu lesen sind wunderbare Sätze wie: 'Ich leide unter Leblosigkeit.' oder 'Für (...) wünsche ich mir, dass sie die verborgene Freude in einem unvollkommenen Leben entdeckt.'

Geschrieben von: Anja Kolberg

Ka Hancock: Tanz auf Glas; Knaur Verlag; Erschienen 9/2013; 528 Seiten; ISBN 978-3-426-65322-7

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Erstellt durch: Anja Kolberg am Freitag, 25 April, 2014
Thema: Blog - 2014, 1. Halbjahr, Buch: Schmöker

Zurück. Vom weiten. Vom endlosen. Meer.

Hallo aus Köln,

ich melde mich zurück. Drei Wochen Urlaub an der Nordsee. Der erste gemeinsame Urlaub mit meinem Mann seit vier Jahren. Hüpf!

Wir waren auf Römö. Südlichste Insel Dänemarks in der Nordsee und Schwesterninsel von Sylt.

Ein Ferienhaus mit Blick aufs Wattenmeer bewohnten wir, gleich ans Naturschutzgebiet grenzend. Das große Glück war der Ausblick. Zwar waren rechts und links Häuser auf gleicher Höhe, aber der Blick gerade aus ging ungehindert Richtung Natur. Vom Schlafzimmer. Eßzimmer. Küche. Wohnzimmer. Sogar vom Klo durch die tiefen Fenster der Dachschräge in der ersten Etage. :o) Marschland. Ebbe und Flut. Bei gutem Wetter weiter Blick bis aufs Festland und nach Sylt. Bei Seenebel kaum bis zum Schilf am Haus.

Während der Urlaubszeit habe ich meinen 44. Geburtstag gefeiert. Genau an dem Tag war strahlender Sonnenschein. Sogar am Nachmittag so warm, dass wir draußen auf der windgeschützten Terrasse die selbstgebackene Obsttorte und die Aussicht genießen konnten. Herrlich! Das war danach noch mal an zwei Tagen möglich, ansonsten war es dafür zu kalt, zu windig oder zu trüb. Klar, wir hatten Ende März und das im hohen Norden. Aber an dem Tag, da war es ein Traum.

Einen großen Rucksack hab ich mitgenommen. Voll mit Unterlagen, die ich mir angucken, durcharbeiten wollte. Hab ihn ungeöffnet mit einem Hauch schlechtem Gewissen wieder mitgebracht. Ich hätte doch so viel.... Ich hatte da doch soviel Zeit.... 'Wieso?', so mein Mann, 'der Urlaub ist doch zum Ausspannen da!' Seufz. Recht hat er. Auch diese interessanten Sachbücher, kein einziges angepackt. Es ging einfach nicht. :o)

Ich war einfach zufrieden damit, im halbrunden Erker des Esszimmers zu sitzen und raus zu schauen. Auf die vorbeifahrenden Schiffe.

Die Wolken. Die wechselnden Farben des Meeres und des Himmels. Den Tau am Morgen auf dem Rasen. Die kleinen Nebeltropfen auf den Wedeln des Schilfs. Das Meer in Wellen, ganz glatt mit spiegelnder Fläche.

Auf die vielen verschiedenen Vögel und bei gutem Wetter das Fenster ein wenig zu öffnen, um ihren Erzählungen zu lauschen.

Auf Gänse, die sich auf dem Marschland sammeln, um sich zu stärken und auszuruhen auf ihrer Reise gen Norden, wo sie brüten werden. Ein wunderbarer Moment, wenn der riesige Schwarm gesammelt in die Lüfte fliegt, dieses schwungvolle Geräusch ihrer Flügel, ihre eignen Töne, die Flugformationen, während sie nach dem nächsten Naschplatz Ausschau halten. Wenn sie auf die Küste zufliegen sieht ihre frontale Siluette aus, als blicken einen unzählige Augen an.

Ohren- und Halsschmerzen und eine kleine Unterkühlung hab ich mir geholt, als ich unvernünftiger weise 'nur mal eben' mit Lümmelklamotten auf die Terrasse am frühen Abend gehuscht bin, um ihren Start zu fotographieren.

Beim Warten - nur noch einen Moment, vielleicht fliegen sie jetzt - habe ich die Zeit vergessen und auch, mir eine Jacke anzuziehen. Eine Stunde bei kaltem Wind war einfach zu viel. Ich verstehe jetzt all die Naturfotographen und ihre Leidenschaft besser. Wie lange haben sie gewartet, um die besonderen Bilder einzufangen, die von mir so schnell konsumiert werden?

Die ersten Tage glitten langsam dahin. Schon um sieben Uhr waren wir mit Minu spazieren. Wir hatten zwar keinen Strand vor der Türe (ein winziger war im Naturschutzgebiet, das ab 1.4. wegen Schutz der Tiere nicht betreten werden sollte), dafür einen langen Deich, einen Holzsteg zum Hafen, Wege durch die Dünen. Die erste Woche waren wir mit ankommen beschäftigt und dem Entdecken alles Neuen.

Die sechsstündige Fahrt war schneller weg gesteckt, als bei der letzten Reise nach Dänemark, wo wir unserer Erinnerung nach fast zwölf Stunden bis zur nördlichen Spitze unterwegs waren.

Am Ende der ersten Woche ein erster Ausflug. Wir haben uns Ribbe angeschaut. Ein altes sehr gut erhaltenes Städtchen wie aus dem Bilderbuch entsprungen. In den gepflasterten Gassen läuft man nah an Esszimmern, Küchen und Wohnzimmern vorbei, kein Vorgarten. Ich habe nur herrlich alte Häuser gesehen, teils mit Fachwerk, winzige Gässchen, kleine anderthalbgeschossigige, rotgeklinkerten Häuschen mit weißen Sprossenfenstern und windschiefen Dächern aus roten Pfannen. Mal gelb, mal weiß, mal rot, mal himmelblau getünchte Außenwände.

Blicke in begrünte Hinterhöfe, einen Park mit See, einen kleinen Hafen wie gemalt, ein rauschender Fluss mitten durch das Städtchen, inklusive sich drehendem Mühlrad gleich neben den kleinen Geschäften.

Der Platz um die Kirche frisch gepflastert, rundherum die zweigeschossigen Häuser eines schöner als das andere, herrliche Portale mit schmucken Holztüren und Steintreppen.

Ribbe ist wirklich einen Besuch wert!

Auf dem Rückweg lockte Manö auf der Karte. Die kleine Insel nördlich von Römö sah putzig aus. Und man konnte hinauf fahren, zumindest laut meiner Landkarte. Viel zu spät erkannten wir, dass die Verbindung vom Festland zur Insel kein geteerter Damm wie der nach Römö ist, sondern eine sieben Kilometer lange, schmale Schotterpiste mit Steinen, Schlag- und Matschlöchern durch das Watt. Drehen fast unmöglich. Befahrbar nur bei Ebbe (habe ich hinter her erfahren). Als wir ankamen, ist uns ein Auto mit dänischem Kennzeichen sehr flott entgegen gekommen. Es gab dort also 'Leben' oder wir waren nicht die einzigen Verrückten, die sich auf den Weg dorthin gemacht hatten?

Ich wusste nichts von der Insel. Gab es also Bewohner? Nur wilde Natur? Auf dem Deich von Manö angekommen, war ich so durchgeschüttelt, dass ich am liebsten gleich zurück wollte. Sollten wir doch noch weiter fahren? Mutig voran. Erstaunt entdeckten wir Häuser und eine Windmühle auf der Insel. Sogar ein Ferienhaus in den Dünen.

Später las ich, dass sich die Bewohner gegen eine Teerstraße entschieden hatten. Weil sie ihre Ursprünlichlichkeit erhalten und möglichst unter sich bleiben wollten, nicht einem möglichen starken Touristenstrom erliegen. (Im Sommer fahren über den Römödamm zur größeren Schwesterninsel gut 10.000 Autos täglich.) So kamen über die Schotterpiste zwar Touristen auf die Insel, wie wir mit dem Auto oder mit Watttreckern transportiert, aber stark begrenzt.

Auf der Insel war noch Winter. Nix los. Gut so. Unser ehemals glänzendes Auto sah anschließend aus wie nach der Ralley Paris Dakar. Fand mein Mann nicht so toll und ich brauchte noch Zeit, um mich vom Durchschütteln zu erholen. So schoss ich kaum ein Foto und wir verließen die Insel rasch wieder. Zurück auf unserer Insel nach dem Besuch einer Waschanlage und bei einer Tasse heißem Tee war alles wieder gut und ich bereute, dort nicht länger geblieben zu sein.

So zogen die Tage dahin. Typischer Tagesablauf: Beim Aufwachen Blick in den Himmel: Wie ist das Wetter? Der Blick oben in den blauen Himmel war eine Rarität, die manchmal nur für eine Stunde blieb. Dann Spaziergang mit Minu. Zeitung im Dagli Brugsen kaufen. Frühstücken, lesen und aufs Wasser gucken. Da die Couch furchtbar durchgesessen war, nicht geeignet, darauf gemütlich zu liegen und zu lesen, freute sich mein Mann, mit dem Tablett-PC und seinen Adler Olsen Krimis wieder ins Bett zu gehen. Minu tapste ihm nach. Seeluft macht so müde. Ich schrieb meiner Familie von unserem Aufenthalt. Der von meinem Mann gewünschte WLan-Anschluss im Haus wurde mir so auch zu nutze.

Die ersten Tage war ich ausgefüllt nur mit diesen Beschäftigungen und dem Gucken aus dem Fenster, dem Beobachten der Natur. Wie auch an meinem Geburtstag. Es war windstill und warm. Ich konnte eines der Erkerfenster weit öffnen. Schreiben und rausgucken. Füße auf einem Stuhl abgelegt. Träumen. Da setzte sich ein Vögelchen auf die Spitze der nahen Heckenrose. Schaute sich um, erzählte etwas - und ich - ich hielt die Luft an. Konnte mein Glück kaum fassen. Was für ein Geschenk!

Am Nachmittag gab es dann wieder einen Spaziergang oder auch einen Ausflug zum Strand. Der ist auf Römö so breit und auch fest, dass man mit dem Auto bis zum Wasser fährt, bzw. das fast 'muss', weil der Weg von der Düne zum Wasser zu Fuß eine gefühlte Ewigkeit dauert.

Das erklärt auch die bekannten Drachenfestivals, die dort im Herbst stattfinden. Auch jetzt gab es einige, die sie steigen ließen.

Riesige Strandabschnitte sind am südlichen Sönderstrand für Strandsegler und Kitesurfer reserviert.

Als ich dort das erste Mal mit dem Auto oben auf der Düne stand, fühlte ich mich in der Wüste: Sand, soweit das Auge reicht. Ich konnte das Wasser nicht sehen. Der Strand im nächsten, recht beliebten Ort Lakolk auf der Insel ist geringfügig schmaler und belebter. Diese extrem breiten Strände sind charakteristisch für diese Insel.

Zurück im Ferienhaus dann schwarzer Tee mit Kandis. Fotos anschauen. Mich in einen der Schmöker fallen lassen. Das fiel mal leicht, mal dauerte es Tage. Wenn mich das Buch gepackt hatte, dauerte das Vergnügen nicht lange und es war ausgelesen. Drei Romane haben mich durch die Zeit begleitet. Die werde ich noch vorstellen. Erledigt: Hier die Buchvorstellung.

Für das Abendessen hatte ich zu Hause schon für gut 3/4 der Zeit einen Essensplan erarbeitet und alle Lebensmittel mitgebracht. Das war mir wichtig, weil ich erstens keine Lust hatte, im Urlaub jeden Tag zu überlegen, was wir denn kochen könnten. Ich hatte auch keine Lust, dort groß einzukaufen. All das kostbare Zeit. Je nach dem muss man dafür weit fahren. Wir hatten diesmal Glück, ein Supermarkt war per Fuß erreichbar und sogar geöffnet. Keine Selbstverständlichkeit wie wir aus früheren Aufenthalten in den Wintermonaten wissen. Drittens wusste ich nicht, was es an veganen Lebensmitteln (außer Obst, Gemüse natürlich) vor Ort zu kaufen gab. Das war der Hauptgrund für den Essensplan.

Vorher viel Arbeit. Nachher super praktisch. Für meinen Mann nutzen wir oft die Gelegenheit, im Hafen frischen Fisch zu kaufen. Ehrlich gesagt: Es ist nicht einfach für mich gewesen, den Fisch zu kaufen. Gerade der Räucherfisch sah lecker aus. Schwer, den Genusswunsch auszublenden. Ich habs aber geschafft. Und da ich meine Muffinformen dabei hatte und alle Zutaten dafür, gabs auch ab und an Kuchen. Lecker!

Am Abend dann deutsches Fernsehprogramm. Auf der Couch, die Rückenschmerzen macht und so tief war, dass wir am Anfang Schwung holen mussten, um dort wieder rauszukommen. :o) Übung macht die Meister, in der dritten Woche klappte es wunderbar.

Aber nur lesen, schreiben, spazieren gehen, die Natur beobachten, schlafen - das war mir zu wenig. Ich brauchte irgendwann Input. Für meinen Mann, der jeden Tag auf der Arbeit Kontakt zu vielen Menschen bei seinen Terminen hat (er ist Schornsteinfeger), der viel fährt - war es gerade auch nach dem anstrengenden Jahr 2013 wichtig, sich möglichst viel auszuruhen. Schlafen. Lesen. Faulenzen. Mal nicht die Verantwortung tragen, mal nicht ständig telefonieren müssen und abrufbar sein. Für mich war dieses Urlaubsprogramm teilweise gut, aber viel weniger als mein Mann das brauchte.

Also erinnerte ich mich daran, dass mein Mann nicht alles mitmachen muss, sondern es auch ok ist, wenn ich alleine losziehe. Jeder nach seinem Bedürfnis. Gesagt - getan. Ich habe mir einige Städtchen angeguckt. Sehenswert waren in der Gegend Ribbe im Norden des Festlands, die nette Einkaufsstraße in Tönder im Süden, auch Mögeltönder mit Schloss und sehr schöner Straße sowie Höjer an der Festlandküste.

Ich bin mit aller Ruhe an den Strand und habe Fotos gemacht und Tonaufnahmen.

Mit Mann und Hund sieht so ein Aufenthalt anders aus, insbesondere weil Minu mit Vorliebe Sand frisst, Muscheln oder man morgens beim Spaziergang eine tote Maus findet, in der sich herrlich wälzen lässt. Und obwohl sie an der Leine ist, hat Frauchen nicht aufgepasst, weil es ja so viel zu gucken gibt...

So konnte ich auf meinen eigenen Ausflügen tun, was mir wichtig war, mir alle Zeit der Welt nehmen und innerlich abhaken, was mich interessierte. Und mein Mann bekam auch das, was er brauchte.

Wir sind dafür jeden Spaziergang mit Minu - oben ein Selfie ;o) von ihr - zusammen gegangen. Das haben wir im Urlaub nicht immer gemacht, sondern einer morgens - einer abends - wie wir das zu Hause im Alltag handhaben. Zusammen zu gehen. Das war schön und eine gute Gemeinsamkeit. Da mussten also nicht noch Besichtigungen zusammen erfolgen. Wenn ich dann nach Hause kam, hatte ich was zu erzählen und mein Mann freute sich. Win-Win-Situation.

Seit dem Wochenende sind wir zurück. Ich dachte, wenn ich aus dem Urlaub zurück bin, ist alles klar. Alle offenen Fragen für mich beantwortet. Doch das kann ich derzeit nicht erkennen. Ich brauche Zeit. Zeit, mich wieder zu Hause einzugewöhnen. Es braucht eine Woche, bis alles wieder an seinem Platz ist. Die Wäsche gewaschen und gefaltet wieder im Schrank. Ich bin weniger leistungsfähig als ich möchte, spüre eine Erkältung im Anmarsch. Die Macht der Pollen ist über mich hergefallen, auch das will erst mal verdaut werden.

Die Seele macht weder zu Hause noch im Urlaub mal Pause. Das hatte ich gehofft. Eine Illusion. Denn natürlich fahren alle Anteile von mir mir. Beispiele: Ich habe zwar weniger an die Arbeit gedacht, aber ganz weg waren die Themen nicht, die zu Hause auf mich warten. Seufz. Hatte sie ja schließlich im Rucksack dabei. :o) Die plötzliche nasse Kälte, der dunkel verhangende Himmel und das trübe Licht machten am Ende der zweiten Woche auch nicht Halt vor meiner Stimmung. Puh! Wir kauften Kaminholz und machten den Ofen an. Das half. Und die Konzentration auf eines der mitgebrachten Bücher und ein Ausflug alleine an den Strand.

Ja. Da bin ich also wieder. Erholt. Gelassener? Ich versuch's.

Ich muss aufpassen, dass ich mich nicht in meinen Erwartungen ertränke. Mein Kopf hatte nämlich für mich schon geplant, dass ich am Montag gleich diesen Blogeintrag schreibe. Ging aber nicht. Meine Fenster sehen aus wie nach einem Schmutzangriff der Killerpollen. Auch die zu Putzen kriege ich im Moment nicht gebacken. Ich brauche mal wieder mehr Zeit, als mein Kopf das will. Mist!

Annehmen und loslassen. Das habe ich auf ein gelbes Blatt geschrieben und neben meinem Bildschirm an die Wand gehängt. Es ist jetzt so wie es ist. Jetzt bin ich erkältet und komme nicht so schnell in die Pötte wie mein emsiger Kopf das will. Die Fenster bleiben wohl schmutzig, den Osterbesuch - meine Eltern und Geschwister kommen - stört das ebenso wenig wie meinen Mann. Nur mich stört es und mit mir hab ich am meisten zu tun, deswegen strengt mich meine eigene Erwartung an.

Es ist eine Herausforderung, die Aufgaben, Ideen und Pläne in meinem Leben unter zu bringen. Ganz real. Tag für Tag. Schritt für Schritt. Diesen Beitrag zu schreiben, war ein großer. Und einen Teil liegen zu lassen. Zu machen, was geht. Zu lassen, was nicht geht. Heute früh fühlte ich mich wie vom Lkw überfahren - ohne dass ich weiß wie das ist. Stelle es mir so vor. Die Atemwege gereizt, Husten, eine Schwere in den Knochen. Unlust. Wenn ich im Urlaub gewesen wäre, hätte ich mich einfach wieder hingelegt. Hier fällt es mir schwer.

Aber ich mache langsamer. Schaue auf das, was ich schon geschafft habe und das ist eine Menge: Sieben Maschinen Wäsche. Alle Koffer wieder im Schrank. Eingekauft. Alle Tüten geleert, Schuhe von Sand befreit, Minus lange Laufleine von Sand und Meerwasser. Im Fußraum des Autos ist noch Sandzeit. Ich sehe es als schöne Erinnerung, statt als eine Aufgabe, 'die ich auch noch nicht erledigt habe'. Ich habe die Umsatzsteuer fürs erste Quartal fertig. Im Garten ein wenig Unkraut gepflückt. Die Fotos auf den Rechner übertragen. Den Kassensturz für den Urlaub gemacht. Diesen Blogbeitrag geschrieben und überarbeitet. Fotos ausgewählt, verkleinert, in diesen Beitrag eingefügt. Hey, Anja, mach langsam. Das ist eine ganze Menge!

Herzlich von meinem Weg

Ihre Anja Kolberg

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Ich erlaube nicht, dass meine Texte und Bilder kopiert und außerhalb dieser Webseite genutzt werden. Wenn Sie das machen möchten, schreiben Sie mir, um eine Vereinbarung zu treffen.

Erstellt durch: Anja Kolberg am Mittwoch, 16 April, 2014
Thema: Blog - 2014, 1. Halbjahr, Blog - Dänemark

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