Unglücklich auf einer Stelle festhängen

Auf meiner vorletzten Arbeitsstelle: Das Unternehmen war frisch gegründet mit großartigen Prognosen. Ich war die erste Mitarbeiterin, zuständig für den kaufmännischen Aufbau. Mein Chef managte den Vertrieb und führte die Einkaufsverhandlungen mit Frankreich. Das alles war sehr spannend.

Ich freute mich auf die erste Kollegin, prophezeit in den ersten sechs Monaten. Die kam auch - aber nicht wie versprochen für das Büro, sondern für den Außendienst.

Ich war unglücklich. Alleine. Keine Kommunikation. Und unterfordert. Denn irgendwann waren die Abläufe strukturiert, die Buchhaltung eingerichtet, die neue Software eingeführt und lauffähig... Weit und breit keine Kollegen im Büro in Sicht. Aber dafür vermeintlich rosige Aussichten (die aber erst mal gar nicht eintrafen) und gutes Gehalt. Wenn das Unternehmen dann mal richtig gewachsen war, malte ich mir aus, was hätte ich dort super Entwicklungsmöglichkeiten. Aber wie lange dauerte das noch: Vielleicht ein Jahr? Vielleicht zwei? Vielleicht aber auch drei? Ich war so zerrissen zwischen dem Verlockenden, was ich aber noch gar nicht hatte und dem, was war: Meinen Gefühlen. Meiner Unzufriedenheit.

Irgendwann entschloss ich mich, nochmal die Schulbank zu drücken: Ein Abendstudium zur staatlich geprüften Betriebswirtin. Ein halbes Jahr später nahm ich mir ein Beispiel an einer Studienkollegin: Die hatte die Arbeitszeit reduziert. Das deckte sich nicht mit den Vorstellungen meines Chefs. So schaffte ich endlich den Absprung. Ich schob alle "könnte" auf Seite und kündigte endlich. Ohne einen neuen Job. Eine unbeschreiblich große Herausforderung für mich. Zwar wäre ich durch meinen Mann abgesichert, falls alle Stricke reißen sollten, aber ich wollte weiterhin unabhängig sein und auf keinen Fall arbeitslos werden.

Drei Monate hatte ich Zeit, etwas Neues zu finden. Eine anstrengende Zeit. Vorstellungsgespräche. Mein Nachfolger (der witzigerweise am gleichen Tag geboren war wie ich! *huhu Frank*) wollte eingearbeitet werden... Ein Jahr hatten mein Mann und ich zudem ein Haus renoviert, der Umzug stand an. Mein Kraftelexier in der Zeit: Ein zweistündiges heißes Bad am Abend.

Bei den Stellenangeboten war so gar nichts dabei, was mich wirklich ansprach. In all der Bewegung, die um mich herum war, nahm ich mir einen Tag Urlaub und schrieb mir auf, was ich gerne für eine Arbeit haben wollte: 3 Tage einen anspruchsvollen Job in einer tollen Unternehmensberatung, die mich im Studium unterstützte, zu einem guten Gehalt. Wem ich davon erzählte, der sagte: "So was gibt's nicht. Das klappt doch nicht." Doch ich schnappte mir die gelben Seiten und telefonierte, bis die Leitung glühte. Am Nachmittag hatte ich viele Absagen erhalten, aber auch einige Adressen, die meinen Wünschen entsprachen und auch noch Bedarf hatten. :o)

Zwei Tage bevor ich meinen alten Arbeitsplatz verlies, unterschrieb ich den Arbeitsvertrag bei den Kienbaum Management Consultants in Düsseldorf. Und eine besondere, wertvolle, erfahrungsreiche und lehrreiche Zeit mit vielen netten Kolleginnen und Kollegen begann!

Ich war übrigens die erste, die dieses Zeitmodell - 3 Tage in der Woche - in unserem Bereich lebte. Als ich mich nach 4 Jahren im Jahr 2000 vollständig selbstständig machte und das Unternehmen dafür schweren Herzens verließ, hatte nicht nur eine Kollegin, sondern auch mein neuer Chef dieses Modell für sich gewählt. :o)

Immer wieder habe ich die Erfahrung gemacht: Wenn ich nicht weiterkomme, halte ich an etwas fest. Von dem ich mir etwas verspreche, aber nicht weiß, ob es das jemals erfüllen kann. Etwas, von dem ich glaube, es ist richtig für mich, ich hab's ja verstandesgemäß gut. Vermeintliche Sicherheit. Und wenn ich dann erkannte, welchen hohen Preis ich zahlte und ich nichts zu verlieren hatte, sondern nur gewinnen konnte, lies ich los. Ich schloss eine Türe und eine neue konnte sich öffnen.

Der Raum dahinter war immer eine Weiterentwicklung. Immer ein Ausgleich für das, was ich losgelassen hatte. Der Weg - nicht leicht. Und :o) lohnenswert. Wenn der Absprung auch länger dauerte, als ich im Grunde aushalten konnte, kam er doch irgendwann.

Es lohnt sich, zu wagen. Vertrauen in die eigenen Gefühle zu haben. Loszulassen, was nicht mehr stimmt. Neue Wege zu beschreiten. Voller Leben, Sinn und Unvernunft. :o)

Nicht immer einfach.
Aber einfach stimmig.

Anja Kolberg

Erstellt durch: Anja Kolberg am Samstag, 27 Januar, 2007
Thema: Blog - 2007, 1. Halbjahr, Blog - Berufl. Orientierung, Blog - Loslassen
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