Eine Auszeit wagen
Nach meiner jährlichen Mail an meine Kundinnen und Kunden, in der
meine Erfahrungen mit meiner Auszeit Thema war, erreichte mich dieser
Bericht vom Weg des Herzens einer Workshopteilnehmerin. Lesen Sie
selbst, was Birgit über ihr Jahr der Auszeit zu berichten hat. Minuten
voller Inspiration wünscht Anja Kolberg
Liebe Anja, ich habe mit großer Freude Deine Kundenmail gelesen. Welch
Parallelen ich dort sehe!
Auch ich habe in diesem Jahr eine Auszeit gehabt. Sie wurde länger
als geplant, und ich glaube, ich fange jetzt erneut erst wieder richtig
an damit. Aber zurück zum Anfang. Mitte letzten Jahres erhielt ich die
Kündigung meiner Firma. Dies war abgesprochen, doch der Zeitpunkt nicht.
Da sich die Geschäftsführung nicht um die fristgerechte Zustellung des
Schreibens gekümmert hatte, schaltete ich sicherheitshalber meinen
Anwalt ein und dann stand fest: Ich werde zum 31.12.2006 ausscheiden.
In dieser Zeit ist viel passiert. So erklärte ich mich auch bereit, in
einem Projekt als Freiberuflerin weiter mitzuarbeiten, was mir erstmal
den Rücken freihalten sollte, rein finanziell betrachtet. Doch dann kam
alles anders. Mein Chef verplante mich ohne Rücksprache bzgl. der mir
zur Verfügung stehenden Kapazitäten und ohne Vereinbarung über
irgendwelche Konditionen. Als ich ihm dann mitteilte, dass ich das nicht
akzeptierte und sowieso zunächst mal eine Zeitlang gar nichts machen
wolle, sind wir darüber in Streit geraten. Für ihn ist es unvorstellbar,
nichts zu arbeiten. Er fühlte sich von mir im Stich gelassen, übersah
dabei aber, dass er mich weiterhin wie eine Angestellte behandeln wollte
(und selbst die hätten gewisse Rechte, aber lassen wir das mal außer
acht). Es wäre kein guter Start in die Selbständigkeit und ein
Widerspruch zum Wort an sich gewesen.
Ich war dann noch einmal einen Tag im Kundenprojekt, und schon kamen
die kleinen Teufelchen: "Das hättest Du doch noch eine Weile so
ausgehalten" oder "So schlimm war es doch nun doch nicht". Welch
Selbstbetrug! Mir wurde dann auch klar, dass ich immer so funktioniert
hatte. Aber nicht für mich, sondern für andere. So war ich dann im
Januar tatsächlich arbeitslos. Da ich mich rechtzeitig um alles
gekümmert hatte, erhielt ich mein ALG pünktlich Ende Januar. Ich hatte
der Agentur mitgeteilt, dass ich plane, mich selbständig machen zu
wollen. Einen Termin musste ich nicht mitteilen; ich ließ mir erstmal
Zeit. Das sind nur die Rahmenbedingungen; ich erlebte eine sehr
intensive, sehr freie Zeit, die mich energetisch sehr aufgeladen hat.
Parallel zur Kündigung war ich nach der schon lange ausgesprochenen
Trennung von meinem Ex das erste Mal in eine eigene Wohnung gezogen. Ich
war nun wirklich frei! Man kann von meinen guten Zeiten in meinem Blog
lesen.
Ich kann das, was Du von Deiner Auszeit erzählst, nur bestätigen. Da
findet sich alles: Größtes Glück, Freiheitsgefühl, Luxus und
Beschränkung, Sorgen und Ängste, Überschwang und viele Fragen, die ich
mir selbst stellte, die mir aber auch von außen gestellt wurden und
werden (die häufen sich derzeit mehr als zu Beginn). Bei mir kam indes
recht früh ein ganz neuer Faktor ins Leben. Ende Februar kam ein Freund
zu mir, der sich räumlich verändern wollte, und zog bei mir ein. Über
viele Umwege wurde eine Beziehung daraus, die mir viel Kraft abverlangt.
Denn alles ist anders, als ich es kannte, und nur Stück für Stück geht
es vorwärts, was meine Auszeit nun auch in einem gewissen Maße
beeinflusst.
Ich bin im September in die Selbständigkeit gegangen. Eine
Zwang-Selbständigkeit, da ich sonst einige Fördermittel nicht in
Anspruch hätte nehmen können. Meine Auszeit hält an, auch wenn ich
offiziell nun zwei Firmen habe: eine für eine Art Coaching, die andere
für Eventmanagement. Ich habe meinen Weg ein Stück weit verlassen, weil
ich nicht nur genossen habe. Aber sicher war das auch wichtig, weil ich
die Auszeit wohl genau deshalb hatte. Nun steht es mir offen, sie noch
ein bisschen zu verlängern. Und genau das werde ich tun. Über meine
Beziehung bin ich mir im Klaren. Es gibt noch viel zu tun, aber ich
weiß, wo ich hin möchte.
Der Rest ist: Weiterschauen! Ich habe Ideen, aber ich bin noch nicht
dort, wo ich sein möchte. Und wenn ich mir Dein Jahr anschaue, liebe
Anja, ist es am besten, ganz befreit zu sein, um mehr zu wissen. Mein
großer Vorteil ist ein finanzielles Polster, das es mir ermöglicht, noch
eine Weile so leben zu können. Das ist das, was ich mir über viele Jahre
erarbeitet habe - wohl genau für diese, "so eine" (Aus-)Zeit. Das können
nicht viele nachvollziehen, aber mittlerweile habe ich da ein dickeres
Fell.
Ich bleibe dran. Die Fragen und mittlerweile sogar Vorwürfe von der
Außenwelt belasten mich sicher immer mal, aber ich weiß auch, dass in
den Worten viel Neid steckt. Ich bin auf dem richtigen Weg. Schade, dass
sich nicht alle mitfreuen können. Wo mich meine Auszeit hinführt, werde
ich noch erfahren. Ich möchte nun erstmal zur Kreativität zurückfinden,
wie Du es auch geschafft hast.
Gerne darfst Du meine Geschichte veröffentlichen. Deine Geschichte kam
zu einer Zeit, in der ich sie gebraucht habe. Nichts ist ohne Sinn!
Alles Liebe und frohe Weihnachten! Auf ein wunderbares Jahr 2008!
Birgit
Erstellt durch:
Anja Kolberg am Samstag, 22 Dezember, 2007
Thema:
Herzenswege