Wie ein Stiefkind...
... in einem Märchen behandle ich einen Anteil von mir. Welchen? Den der Schreibenden. Sie bekommt alles, was sie braucht zum Überleben. Ihr geht es gut, keine Frage. Sie schreibt Tagebuch, sie schreibt im Blog. Ihre Grundbedürfnisse werden erfüllt. Aber sie will mehr.
Sie ist diejenige in meinem Team, die ganz wibbelig auf dem Stuhl sitzt, Block und Stift in der Hand, voller Energie. Sie will loslegen.
Und was mache ich, ihre Teamchefin? Ich missachte sie, schenke Coach und Trainerin Aufmerksamkeit, damit sie Lust haben, aufzustehen, konzentriere mich auf die Kreative, die weiter entwirft, auf die Fotografin, auf die Betriebswirtin, die alles managt. Aber die Schriftstellerin, die kann noch so laut brüllen. Ich überhöre sie.
Das ist eine Unverschämtheit von mir! Ungeheuerlich! Unmöglich!
Ich tue es aber.
Eben las ich in einer Mail des Autorenhausverlages von Schreibblockaden, vom Erfolgsdruck und dem Drang, schreiben zu müssen. Alles ist mir geläufig. Für mich gehört aber noch etwas dazu: Nämlich die fehlende Unterstützung, die fehlende Aufmerksamkeit von mir für mein Stiefkind. Unsere Kommunikation scheint gewaltig gestört. Liebe fließt nicht zwischen uns, sondern Leere. Das ist ganz und gar nicht gut. Ich habe mich erschrocken, als mir das bewusst wurde.
Was tun? Wie dafür eine Lösung finden? Denn es ist ja klar: Ich will mehr schreiben als nur im Blog und im Tagebuch und ich weiß, darum geht es auch. Es hilft mir im Moment aber kein "nicht reden, sondern einfach machen" weiter. Ich weiß, über das Thema schreibe ich nicht zum ersten Mal. Ein Zeichen, wie sehr es mich beschäftigt.
Zeit für einen inneren Dialog:
Anja: Hallo, Schriftstellerin. Wie geht es dir?
Schriftstellerin: Beschissen! Ich werde einfach nicht gehört! Dabei will ich unbedingt loslegen.
Anja: Wer hält dich auf?
Schriftstellerin: Na du!
Anja: Womit?
Schriftstellerin: Mit deinen ewigen Zweifeln. Mit deiner Angst, nicht gut genug zu sein. Mit deinem Anspruch, dass ich was richtig gutes bringen muss, damit es sich lohnt. Nicht, dass ich das nicht schaffen kann, aber es ist wie eine zähe Masse, die mich umgibt und mich nicht loslegen lässt.
Anja: Was wünschst du dir von mir?
Schriftstellerin: Unterstützung. Zuspruch. Eine lange Leine. Gib mir Freiheit. Lass mich einfach machen.
Anja: Wie stellst du dir das praktisch vor?
Schriftstellerin: In dem du mir eine feste Zeit am Tag gibst, in der I-C-H bestimme, was gemacht wird. So einfach ist das.
Anja: Aha. Und wann soll das sein? Eine bestimmte Uhrzeit?
Schriftstellerin: Natürlich, sonst gehe ich wieder im Alltag unter. Ich brauche und verlange unbedingt eine feste Zeit!
Anja: Wann möchtest du die haben?
Schriftstellerin: Morgens eine halbe Stunde bevor du mit Minu gehst. Bevor du den PC anmachst. Gib mir den Laptop und ein leeres Dokument. Und meine halbe Stunde.
Anja: O.k., das kann ich machen. Ist das alles?
Schriftstellerin: Nein. Noch was: Lass mich einfach machen. Zerpflücke nicht das, was ich mache. Lass es einfach so stehen. Stell keine Ansprüche an Vollständigkeit, an Sinn, daran, dass daraus etwas werden muss. Ich brauche meinen Freiraum. So wie die private Türe zu meinem eigenen Zimmer, die ich verschließen kann, wenn ich Ruhe vor deinem Druck und deiner Zensur haben will. Kapiert?
Anja: Ja, kapiert.
Anja: Woher willst du denn wissen, dass ich die Zeit auch wirklich jeden Tag einhalte?
Schriftstellerin: Sei dir sicher: Ich werde dir gewaltig auf den Keks gehen, wenn du nicht aktiv wirst. Wehe du brichst mit meinem Freiraum. Ich verlange ganz wenig, aber sei dir sicher: Du wirst reich beschenkt.
Anja: Gut, ich will es tun. Noch was?
Schriftstellerin: Ja. Du machst das alles richtig gut. Sei dir sicher, ich melde mich zum richtigen Zeitpunkt, so wie ich es jetzt getan habe. Ich habe mich zwar vorher schon immer bemerkbar gemacht, aber jetzt stimmt der Zeitpunkt. Jetzt will ich so richtig loslegen. Ärgere dich nicht, dass du mir nicht schon vorher mehr Aufmerksamkeit geschenkt hast. Das stimmt schon so wie es ist.
Anja: O.k., danke. Mir ist aber auch noch etwas wichtig.
Schriftstellerin: Ja, was denn?
Anja: Dass du es mir leicht machst, in dem du dich mehr durchsetzt. In dem du wirklich die Türe schließt und dann loslegst, dir den Raum nimmst, den du brauchst und du ihn so gestaltest, wie du möchtest.
Schriftstellerin: Kein Problem. :o)
Anja: Abgemacht?
Schriftstellerin: Abgemacht!
Schönes Wochenende
Anja Kolberg
Thema: Blog - 2008, 1. Halbjahr, Blog - Innere Stimme, Blog - Schreiben
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