Vergeht die Zeit auf dem Land schneller?
Ich habe das Gefühl, die Zeit während meines Landurlaubs ist doppelt so schnell vergangen wie sonst im Alltag hier zu Hause. Zu schön waren die abwechslungsreichen Tage in der Natur, wo ich aufgewachsen bin. Elf Hausnummern, ein Bauernhof (von ehemals dreien), Kühe, Pferde, Schafe, Hühner, Hunde, Menschen, Weiden, Nutzgärten, eine schmale Straße, Wald, Bäume, Scheunen, Blumen, Wind, Fliegen, Mücken, Vögel, Schmetterlinge, Schnecken, Himbeeren, Tomaten, Sonnenblumen, Strauchbohnen, Dicken Bohnen, Kräuter, Teiche...
Petrus hat toll mitgespielt, während der Anreisetag noch einem Subtropen-Aufenthalt glich, war es bereits an Tag 2 herrlich abgekühlt, aaaaaah, so lies sich prima schlafen. Ich konnte gar nicht genug sagen: "Haben wir ein super Wetter." Zweithäufigster Satz von mir war übrigens: "Haben wir es gut!" Immer wieder kam Besuch, mal mein Bruder, mal mein Papa (*drück*), mal Tanten und Onkel - einfach schön. Auch habe ich die Gelegenheit genutzt und meine Freundin in Wipperfürth zu einem Plausch am Marktplatz getroffen. "Lass uns darüber reden", war das Motto unseres Abends - eigentlich steht jedes unserer Treffen unter diesem Stern, stimmt's? :o) Frauen eben.
Überhaupt: Schlafen. Jeden Tag habe ich mich nach dem Mittagessen hingelegt und ein bis zwei Stündchen geschlafen. Was mir zu Hause nur seltenst gelingt, war im Bergischen ein Kinderspiel. Ob das an der frischen Landluft lag? Klimaänderung von Köln aufs Land? Wetterumschwung? Egal, ich habe die Ruhephasen genossen und die frische Landluft tief eingeatmet. Hmmmmmm, guuuut!
Wir haben lecker gekocht, federführend meine Oma - 85 Jahre und ich finde fit wie ein Turnschuh (ich hatte kaum eine Chance, die Hühner morgens rauszulassen oder den Pferde auf der Koppel nebenan Wasser zu geben, war schon alles fertig, wenn ich runter in die Küche kam) - und natürlich hat auch meine Mama in der Küche gezaubert. Was es gab? Natürlich mein Liiiiiieblingsessen: Pillekuchen mit frischem Salat aus dem Garten, dann Himmel und Äd mit Blutwurst (kölsches Gericht: Kartoffelpüree mit Apfelkompott und in der Pfanne knusprig gebratenen Blutwurstscheiben). Was noch? Mama hat eine Gemüsepfanne gemacht (Zucchini, Aubergine, Paprika, Tomaten, Kartoffeln klein schneiden in Auflaufform mit Kräutern der Provence, Pfeffer und Salz würzen, darüber Pflanzenöl, das in der Pfanne mit frischem Knoblauch erwärmt wurde - Lecker!
Fast noch besser schmeckte der Rest kalt am Abend als Salat.) Jamjam. Grübel, was gab's noch? Kartoffelpüree mit Sauerkraut und Kassler. Reibekuchen. Und Omas leckere Küchlein aus übriggebliebenem Püree und einem Ei in der Pfanne knusprig gebraten, dazu frischen Salat, eine Erinnerung an meine Urgroßmutter, die das laut Oma immer so machte. Wie sie sehen: Wir sind nicht verhungert, ganz zu schweigen von dem leckeren Nachtisch, frischer Melone, selbstgemachtem Eis... :o)
Lecker auch die frisch gelegeten und jeden Abend eingesammelten Eier der Hühner, die in einem riesiggroßen Hühnerpirk unter Bäumen, Sträuchern und über eine Wiese laufen und picken. Den Unterschied zu den gekauften Bioeiern (!) schmeckte und sah ich nur zu gut.
Die Hühner haben Oma und mich ganz gut auf Trapp gehalten und mir viel Freude gemacht. Sie haben nämlich entdeckt, dass es neben diesem großen Gelände noch viel viel mehr zu entdecken gibt, zum Beispiel ein Gewächshaus, ein großes Beet mit Gemüse und frischem Salat, Sträucher, unter denen man scharren kann, einen Komposthaufen, wo es so viel leckeres zu schnabeln gibt. Ein paar Flügelschläge und sie waren draußen.
Besonders ausbüchsfreudig war dies schwarze Exemplar hier mit dem braunen Federkranz um den Hals. Wir haben es mehr als einmal im Garten gefunden. Lustig war am ersten Abend, dass wir gar nicht wussten, wie viele Hühner überhaupt da sein sollten. Als wir sie abends in den Stall trieben, wo sie sich auf der Stange aneinanderkuschelten (der Hahn mitten zwischen seinen Mädels) und am Körnertrog hin und herhüpften und durcheinanderliefen, hatten wir kaum eine Chance, sie zu zählen, erst kamen wir auf zwölf, dann auf dreizehn wieder auf zwölf. Jeweils plus Hahn und plus Berta, der hübschen weißen Gans.
Es half alles nichts: Wir mussten nachfragen, wie viele es denn nun sein sollten. Hatten wir eines zu viel? Eines zu wenig? Genau richtig? Dreizehn bestätigte uns mein Onkel am Telefon. Wenn wir ab und an am Zaun nachsahen und durchzählten, schauten wir bei fehlendem Federfieh auch schon mal im Stall nach, wo dann eines oder auch mal zwei sich entsetzt gackernd auf dem Nest sitzend gestört fühlten, was den Hahn auf den Plan rief. Der warf sich in die Brust, schmiss die Flügel nach hinten und rannte laut gackernd und krähend zum Stall, um seine Mädels zu beschützen. Er hörte nicht eher auf, bis ich mich entfernt hatte, zum Schluss stand er sogar ganz entsetzt oben auf dem Zaunpfosten. Eitler Gockel!
Es gibt kaum ein beruhigenderes und gemütlicheres Geräusch für mich, als die gackernden, gluckenden Hühner und der krähende Hahn. Toll, die hätte ich auch gerne im Garten.
Einen Spaß erster Güte entdeckten Mama und ich im Garten: Eine Schaukel. Mein Onkel hatte sie gebaut, sehr stabil, dass sogar ich mich darauf traute. So was sollte es öfter geben: Schaukeln für Erwachsene. Wenn man schlechte Laune hat, braucht man sich nur darauf zu setzen, hin und her zu schwingen und schwups zaubert sich ein Lächeln automatisch ins Gesicht. Auch ohne schlechte Laune wärmstens zu empfehlen. Ich will auch sowas!
Im Garten gab es wieder viel Neues zu entdecken, bezaubernde Vogelhäuschen, die mein Onkel mit viel Liebe von Hand fertigt, Metallkonstruktionen, alte Eisengegenstände vom stillgelegten Bauernhof einer Tante,
ein renoviertes Bauarbeiterhäuschen, von innen so hübsch dekoriert, dass eigentlich mal ein Redakteur einer Garten- und Wohnzeitschrift vorbeischauen müsste, besonders angetan hat mir darin das von meinem Onkel gefertigte Bärenbett und die von Oma genähten Kissenbezüge und Vorhänge, federführende Dekoration von meiner Patentante. Im Garten und im Haus steckt so viel Liebe, dass man dort nur glücklich sein und Kraft tanken kann.
Bei all den schönen Blumenbeeten, Sitzecken und Ideen träume ich dann rasch von einem größeren Garten, wo ich auch das ein oder andere verwirklichen könnte... Doch nicht vergessen darf ich dabei, wie viel Arbeit und Zeit es kostet, das alles so schön zu halten.
Natürlich haben wir auch unserem Lieblingsspiel gefröhnt: Halma. Am letzten Abend sogar bis um halb eins nachts. Auch wenn Mama immer wieder rebellierte, sie könne nicht mehr, schafften wir es doch auf dreizehn Spiele. Rekord! Als jede viermal gewonnen hatte, musste noch ein Spiel zeigen, wer die Königin unter den drei Halma-Königinnen ist. Meine Oma und ich hatten gegen Mama keine Chance, trotz vom Onkel aufgesetzem Beerenlikörchen, das wir ihr schön gekühlt verabreichten, hielt sie durch und gewann das letzte Spiel.
Solche Tage bei meiner Familie sind ganz besondere Schätze für mich. Kostbare Erlebnisse, an die ich mich noch mit 90 gerne erinnern werde. Sie erfüllen mein Herz mit funkelnder Freude und Dankbarkeit.
Danke dafür und ganz liebe Grüße ins Bergische!
Anja Kolberg
Thema: Blog - 2010, 2. Halbjahr, Blog - Landleben & Urlaub
Aktueller Beitrag: Vergeht die Zeit auf dem Land schneller?
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