Vielleicht kommt das Leben ganz leise daher?
Bei Unzufriedenheit spüre ich den Drang, aktiv werden zu müssen. Etwa: "Ich muss mich jetzt endlich bewegen. Ich muss das Thema unbedingt klären. Wenn ich diesen Experten anspreche, dann ist mein Problem geklärt. Ich muss nur das Buch lesen, dann weiß ich weiter. Ich muss die Übung noch ausprobieren, dann habe ich die Lösung. Wenn ich das mache, dann passiert das endlich... usw."
Doch ich habe nicht die Kraft, den Antrieb, die Lust, die Zeit, das Geld .... diese von meinem Verstand vorgeschlagenen Dinge auf den Weg zu bringen. Irgendwelche Blockaden halten mich (aus gutem Grund) davon ab. Also verdränge ich, lebe den Alltag und komme irgendwann wieder an den Punkt der Unzufriedenheit. Und ärgere mich, nicht aktiv geworden zu sein, denn dann wäre das Problem ja längst gelöst... Das glaube ich dann zumindest diesen einen Moment lang.
Heute früh beim Spaziergang mit unserer Minu hing ich meinen Gedanken nach, hörte die Vögel singen, sah die bunten Farben der Blätter auf den Bäumen und auf den Steinplatten des Weges, berührte mit meinen Schuhen die heruntergefallenen Kastanien, schmiegte mich in die Winterjacke, die Wärme tat mir so gut. Dann kam mir dieser Gedanke in den Sinn:
"Was, wenn das Leben ganz leise daher kommt?"
Wenn Veränderungen nicht durch Aktivismus in Bewegung kommen - was ja durchaus eine Möglichkeit sein könnte (nur wäre es dann die richtige?) - sondern sie aus meiner inneren Stille heraus entspringen. Wenn Neues aus der Ruhe in mir entsteht. Aus dem ganz bei mir sein. Bei der Besinnung auf die einfachen Dinge. Den Alltag leben. Meine Aufgaben mit Liebe ausführen. In die Stille gehen. Meinen Körper spüren. Austausch mit meiner inneren Stimme. Leise sein in mir selbst und mich von dem Druck einer - wegen meiner Unzufriedenheit scheinbar so nötigen - Veränderung zu lösen. Wissend, ich kann sie nicht mit Aktionismus herbeiarbeiten, ich kann meine Lösung nicht durch die Lösung oder den Rat anderer herbeizaubern, nicht durch noch etwas versuchen und nochwas und nochwas und nochwas.
... sondern durch einfach da sein und leben. Mein Leben annehmen, wie es gerade ist. In Meditation, Entspannung, Fantasiereisen mein Inneres besuchen. Die Natur wahrnehmen und mich daran erfreuen. Mir bewusst machen, was mir niemals genommen werden kann: Meine Liebe für mich selbst. Die Liebe anderer Menschen, die ich fühlen durfte und darf. Die Natur, die Liebe und Schönheit der Tiere. Frisches Wasser. Regen. Früchte im Sommer und Herbst. Blumen. Wind. Feuer. Das Grün und das Bunte der Natur. Die Veränderung der Jahreszeiten. Das Lachen. Die Wärme der Sonne. Meinen Körper spüren...
Ich fühle Reichtum, wenn ich an all das denke. Und wenn ich durch all das auf einmal so nah bei mir selbst bin, dann fühle ich meinen inneren Goldschatz, die Wärme und Kraft meiner Seele. Sie wird immer da sein, denn das bin ich.
Und während ich mich auf all das konzentriere, das 'am Gras ziehen wollen' dabei vergesse und auch all die destruktiven Gedanken - die ja nur in meinem Kopf sind und keine echte Gefahr darstellen - ist das 'gute' Leben auf einmal spürbar. Es ist da und mit ihm und dem Genuss des Moments und seiner Fülle eine tiefe Zufriedenheit.
Ich brauche keine Veränderung unter Druck mehr. Weil ich glücklich bin. In mir selbst. Zufrieden. Angekommen. Im Hier. Im Jetzt. Voller Liebe für das was ist.
Tief durchatmen. Das klingt wunderbar. So leise und sanft. In Liebe und in Frieden mit mir selbst sein. Und dann öffnet sich eine Türe, die vielleicht viele Jahre, Monate, Tage und Stunden verschlossen war.
Alles Liebe
Ihre Anja Kolberg
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Thema: Blog - 2013, 2. Halbjahr, Blog - Psychologie
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