Kreidefarbe oder Lack? Erfahrungen mit der Möbelrenovierung

Wow tolle Möbel

Wer meinen Blog regelmäßig liest, weiß, dass ich aus dem letzten Dänemark Urlaub massive, alte Möbel mitgebracht habe, nachdem ich einen riesigen Kramladen besucht hatte. [Krammärkte haben Seele - Ausflugstipp Dänemark.]

Ein schmaler Schrank für den Flur, ein Regal fürs Eßzimmer und zwei Hocker (die wären wirklich nicht nötig gewesen, aber sie wollten unbedingt mit) reisten nach Köln. Es war Platz im Auto, da wir unsere Vorräte aufgefuttert hatten und wie durch Zufall zwei Sitze zu Hause gelassen hatten ...

Zu Hause standen die dänischen Mitbringsel dann erst mal rum und warteten auf ihre Renovierung.

Da ich im April 2020 sowieso durch den Lockdown und das Erstellen der Hochbeete aus der Arbeitsroutine im Büro gerissen war und mich die Möbelstücke schon ein halbes Jahr vorwurfsvoll anstarrten, dachte ich mir nur: Jetzt oder nie!

Möbel aufarbeiten

Mein Mann half mir, die Möbelstücke auf die Terrasse zu schleppen. Die beiden Hocker und der Hochschrank wollte ich nur abschleifen und wieder weiß lackieren. Das mahagoni farbene Regal wollte ich im Shabby Chic Look aufarbeiten. Diesen Stil finde ich so schön! Heute weiß ich, was ich nicht noch mal machen werde. :o)

Möbel aufarbeiten

Da ich bei uns für das Streichen zuständig bin, damit also einiges an Erfahrung hab, dachte ich ganz blauäugig: Das ist alles schnell gemacht. Hust ... Hätte ich mal vorher gewusst, was ich jetzt weiß ...

Ja, der schöne Hochschrank und die beiden Hocker waren ruckzuck abgeschliffen. Selbst als mir der Hochschrank umkippte (nein!) und auf die Kante der Terrassensteine knallte (oh nein!), das Glas aber heil blieb (puh!) fand sich - nach anfänglichem Schock - dank meinem Göttergatten (ich wollte kurz frustriert den Schrank auf den Sperrmüll geben) eine Lösung mit einem Reparaturkid.

Die tiefe Furchte wurde ausgebessert, beigeschliffen (kein Foto, Schreck war zu groß), das herausgebrochene Ornament später wieder geklebt. Eigentlich verrückt: 1000 km ist der Schrank ohne Blessuren gereist und hier dann ... nun gut, es ging ja glimpflich aus.

Abschliefen  

Auch das zweimalige Lackieren ging rasch von statten. Ich habe dazwischen nochmal kurz das Holz angeschliffen, weil sich der wasserbasierte Lack nicht so gut auftragen lies. Doch geschenkt! Bei dem trockenen, heißen Wetter war der Lack schnell trocken. Es lief richtig gut - das hat die anderen Schwierigkeiten etwas abgemildert...

So sieht das Endergebnis aus:

Fertig renoviert

Ich bin richtig verliebt in das gute Stück. Ein neuer Porzellanknauf ist inzwischen auch schon dran.

Hocker in schön

Die beiden Sitzkissen auf den Hockern, die nicht richtig passten, habe ich zum Teil neu aufgepolstert und prima angepasst, den alten Stoff konnte ich wieder nutzen. Jetzt sitzt alles! Klasse!

Soviel zum Spaß. Jetzt kommt der knifflige Teil: Das Regal. Seine Maße passen genau in die Ecke bei uns im Esszimmer, wofür ich ewig nach etwas gesucht hatte. Und dieses Regal aus Dänemark hatte zufällig die richtigen Maße!

Nur die Farbe stimmte nicht, da im Eßzimmer alles in weiß, grau und hellen Holztönen ist. Also her mit dem Shabby Chic.

Das Regal passt perfekt! Was ein Glück!

Das Material war dafür schnell gekauft. Sooo leicht liest sich die Bearbeitung mit Kreidefarben im Prospekt und sieht so easy im Video aus:

Abschleifen. Kreidefarbe 1 (ich wollte dunkles grau) auftragen. Kreidefarbe 2 (weiß) auftragen. Dann ganz leicht etwas an einigen Stellen von Kreidefarbe 2 mit Schleifpapier runter nehmen. Wachsen. Fertig!

Meine Realität war eine völlig andere. Und ja, ich nehme die Antwort auf die Eingangs gestellt Frage vorweg: Nie wieder Kreidefarbe! Vielleicht habe ich es völlig falsch angestellt - und ja, wenn es fertig ist: Es kann so toll aussehen. So viele schöne kreative Sachen sind damit möglich. ABER die Kreidefarbe und ich, wir werden keine Freunde werden.

Warum?

Es ist, als streichst du ein Möbelstück mit cremiger Wandfarbe (oder dünnflüssigem Quark) ein. Würde ich niemals machen. Mache ich aber gefühlt mit der Kreidefarbe.

Konsequenz dieser pastösen Masse: Wenn du mehrmals über eine Stelle streichst - zum Beispiel, damit es deckend wird - ist die Farbe sehr dick aufgetragen und sie kann reißen. Wie getrockneter Quark. (Weiß auch nicht wie ich auf Quark komme, aber für mich passt der Vergleich.)

Dazu kommt noch, dass die Kreidefarbe sich durch ihre pastöse Art nicht so leicht auftragen lässt wie ein Lack, deckend war sie nicht. Der Mahagoniton schien immer wieder durch. Ich habe das Regal dewegen innen und außen zwei- an manchen Stellen dreimal mit der dunkelgrauen Kreidefarbe gestrichen, bis wirklich nichts mehr von diesem alten Farbton zu sehen war. Das gleiche mit der weißen Farbe wiederholt.

Das hat ewig lange gedauert, weil das Regal innen und außen gestrichen werden wollte (Merke, Anja: erst mal mit einem kleinen Möbelstück anfangen, nicht gleich ein Regal, wenn auch im Prospekt eine Kommode easy verschönert wird).

Das Abschleifen hat dann glatt Spaß gemacht, so wurde die hubbelige Oberfläche nämlich zum Glück wieder glatter und endlich zeigte sich der Shabby Chic. Ich hatte auf der Rückseite einige Versionen ausprobiert. Das sah gut aus:

Test

Ich überlegte wie unruhig die Oberfläche aussehen sollte und entschied mich für viel weiß mit wenigen grauen Blitzern:

Enscheidung gefallen

Als ich mit dem Aussehen zufrieden war, holte ich den Wachs raus und rieb ihn wie beschrieben mit einem Tuch in alle Oberflächen ein. Roch intensiv, aber nicht abschreckend.

Diesmal hab ich definitiv nicht die ganze Beschreibung auf der Dose gelesen, denn dort stand etwas von Handschuhen tragen wie ich später las. Ich hatte zufällig welche an und wunderte mich, warum sich bei harmlos klingendem "Wachs" die Fingerspitzen der Handschuhe auflösten und mir so schwummrig im Kopf war... Das Wachs wurde nach dem Trocknen mit einem weichen Tuch glatt poliert.

Glatt poliert

Sah toll aus, die Oberfläche war herrlich glatt und mein Herz raste. Wie sich heraus stellte, war das Wachs gar nicht so harmlos, wegen der Lösungsmittel also das Herzrasen und der vernebelte Kopf. Gut, dass ich alles draußen gemacht hatte und die Symptome hielten nicht mehrer Stunden lange an.

Giftstoffe

Auch das ein Grund für mich, nicht mehr mit Kreidefarbe bzw. dem Wachs zu arbeiten: Ich kaufe viel Biogemüse ein, achte darauf, was ich in und an meinen Körper lasse und mit dem Wachs überschwemmte ich meinen Körper mit Giftstoffen! Hätte ich das vorher gewusst...

Dagegen war der Lack für die anderen Möbel wirklich harmlos in der Anwendung, von dem hatte ich keinerlei (spürbare) Begleiterscheinungen. Es hat schon seinen Grund, wenn Profis Möbel im Shabby Chic aufarbeiten, habe ich anschließend gedacht. Die wissen damit einfach besser umzugehen und sich zu schützen.

Das Regal fertig zu stellen, brauchte zwei Arbeitstage. Hochschrank und die beiden Hocker zusammen nur einen. Also auch vom Arbeitsaufwand her keine Frage, wofür ich mich entscheiden würde.

Vielleicht ist die Kreidefarbe ok bei kleinen Möbeln, die nicht innen und außen gestrichen werden müssen, kleinen Brettern ... aber - nein, ich schüttle beim Schreiben mit dem Kopf - nicht mehr für mich.

Unterfarbe schlägt durch

Am nächsten Morgen, wir hatten das Regal draußen zum Auslüften stehen lassen, wunderte ich mich über hellrosa Stellen. Nein, die weinrote Farbe schlug wieder durch! Es war doch gut gewesen. Hatte das Wachs die Farbe rausgelöst? Seufz. Kurzerhand nahm ich einfach den weißen Lack und überstrich die Stellen. Wider Erwarten hielt es. Ein Glück. So machte ich mich mit dem Pinsel auf, alle rosa Stellen weiß zu lackieren.

Circa 4 Wochen später blutet der ursprüngliche Farbton an vielen anderen Stellen großflächig wieder in rosa durch. Ich habe aufgegeben. Dann ist es eben ein weißes Regal mit grauem Shabby Chic Look und einem rosafarbenen Teint. Es war so viel Arbeit und das ganze Material wieder runter schleifen? Nein. Ich zucke mit den Schultern. Annehmen. Loslassen. Oder ...?

Heute weiß ich, es gibt Grundierungen mit einer Sperrwirkung, die die alte Farbe nach zweimaligem Auftrag wohl nicht durchlässt. Es kann bei anderen Hölzern auch passieren. Ich hätte mir sehr gewünscht, diese Information hätte im Hochglanzprospekt gestanden - und nicht das alles easy ist! (Hätte ich darauf gehört?)

Da jetzt Wachs auf dem Regal ist, (neue Farbe braucht wachsfreien Untergrund) bleibt wohl nur die Lösung: Alles Abschleifen - was ich mir wegen der dabei freigesetzten Giftstoffe gerade nicht vorstellen kann - und neu anfangen. Oder damit leben.

Das fertige Regal

(Bild oben das fertig gewachste Regal, bevor die rote Farbe durchschlug ... Die Knöpfe sind inzwischen durch schöne Porzellenknöpfe ausgetauscht.)

Vielleicht (wahrscheinlich?) wäre die weinrote Farbe des alten Regals mit einem Lack statt Kreidefarbe auch durchgeschlagen, aber es wäre wenigstens viel weniger Arbeit gewesen. Heute kann ich über diese Erfahrung etwas grinsen. Und ich schreibe sie hier auf, um mich selbst daran zu erinnern, falls ich mal wieder eine fixe Idee haben, mit Kreidefarbe zu arbeiten und um meine Leser*innen vor meiner Erfahrung zu schützen.

Wenn ich nochmal ein Möbelstück in weiß mit Shabby Chic machen würde, dann mit dieser Abkürzung: Weiß lackieren und mit grauer Farbe die abgenutzten "Shabby" Stellen immitieren (und vorher grundieren bzw. an einer verdeckten Stelle vorsichtig probieren und sehen, ob etwas durchschlägt ...). Heute würde ich diese Anzeichen viel schneller erkennen.

Hm, ich hätte bei dem Auftragen der ersten Seite meinem Impuls folgen sollen und den Kreidefarben-Trip stoppen. Runterschleifen, fertig. Damit wäre mir viel Arbeit erspart geblieben - aber eben auch diese kostbare Erfahrung, die ich sonst nicht gemacht hätte. Und die ist sehr hilfreich!

Shabby Chic

Mein Mann ist instruiert, mich bei einem nächsten Kramladenbesuch in Dänemark sanft daran zu erinnern, dass eine Renovierung von noch so schönen Möbeln auch gemacht werden muss. ;o) Sie sind leicht gekauft, abenteuerlich transportiert und dann muss aber auch die Zeit genommen werden, sie schön zu machen. Soooo viel gelernt!!!

Ich bin stolz auf mich

So, und jetzt habe ich Freude an meinen Möbelstücken. Was für eine Reise!

Ganz herzliche Grüße aus der Renovierungs- und Lernzentrale in Köln

Anja

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Erstellt durch: Anja Kolberg am Samstag, 23 Mai, 2020
Thema: Blog - 2020, 1. Halbjahr, Blog - Renovierung
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