Notfallprogramm gegen Novemberblues

Mitten im Spaziergang startete mein Erste-Hilfe-Programm:

Petrus hatte ein Einsehen: Der Regen hörte auf. Meine Laune stieg um einen halben Punkt. Vorher war sie auf meiner Stimmungsskala von 1 (puh) - 10 (juchu) auf einer 1,5 - dank trockenem Spaziergang bei einer 2.

Am Postfach dann - ein einziger Brief. Aber der war soooooooo schön!

 

Der Brief einer Blogleserin auf meine Wunschaktion. Oh, was für eine gelungene Überraschung. Ich konnte nicht bis zu Hause warten, habe ihn gleich in der Post verschlungen. Hm, inklusive Ringelblume aus dem Garten, die sogar noch duftete. Danach war meine Launometer auf einer 7, gestiegen um 5 Punkte!

Auf meinem Spaziergang entdeckte ich an einer Buche auf meiner Augenhöhe viele Wassertropfen, die an klitzekleinen Ästchen hingen. Das sah zauberhaft aus. Machte glatt einen Punkt aus!

Dann ab in die Bäckerei. Leider gab es "mein" Lieblingsherz nicht. Schnief. Launometer geht einen Punkt runter. Als Ersatzbefriedigung gab's eine Apfeltasche. Einen halben Punkt hoch, weil sie so gut aussah.

Dann zwei Läden weiter rein in Petras Blumenladen. Auf meine Frage, ob Sie etwas Blühendes hat, das gegen meinen Novemberblues hilft, zauberte sie mir diesen schönen Blumenstrauß:

 

Oben drauf gab's noch ein süßes Daumenkino, oh, das war eine Freude! Machte glatt 5 Punkte auf meinem Launometer nach oben! Da blinkte es gleich vor Freude, denn die 10 war überschritten!

 

Zur Sicherheit habe ich mich noch mit einer Tafel meiner Lieblingsschokoladensorte Trauben-Nuss eingedeckt, die ich zu Hause gleich mal probiert habe.

 

Ja, die kann mir helfen, wenn der Blues wieder an mir hochkriecht.

 

Ah, wenn ich das graue Wesen da so sehe, tut's mir glatt leid. Vielleicht möchte es mir gar nix böses? Ist mir jetzt aber egal, keine Lust auf einen Plausch. Nein, wirklich nicht. Neihein! Nein. Nein. Nein. Nein, ich will nicht. Oh Manno! Das graue Dings hört nicht auf zu nerven. Also gut. Lass uns reden.

Ich: Also, was willst du?
Novemberblues (kurz Noblu - ist mir auf die Dauer zu lang): Sag ich dir nicht. So nicht. Wenn du mich so böse anguckst, sag ich dir gar nichts. Da wird dir auch die Schokolade nichts helfen, hast du verstanden???!

Ich (ziemlich genervt): Dann eben nicht. Tschö!
Noblu: Wie du willst. Wirst ja schon sehen, was du davon hast.

Ich (langsam wütend): Weißt du was, du kannst mich mal gerne haben.
Noblu: Du mich immer zweimal mehr.

Ich: Du nervst.
Noblu: Danke gleichfalls.

Ich (merke, dass es so nicht weitergeht. Atme tief ein und aus.): Okay Nervensäge. Lass uns Frieden schließen.
Noblu: Nö, so nicht!

Ich (verdrehe die Augen im Kopf. Nochmal. Stöhne genervt. Atme nochmal tief durch. Denke nach.): Du gehtst mir auf den Keks.
Noblu: Da kann ich doch nicht für!

Ich (stemme die Hände in die Hüften): Natürlich! Wer denn sonst!
Noblu: Na du selbst!

Ich: Ja, aber weil DU da bist, habe ich keine gute Stimmung.
Noblu: Ja, mag sein, aber für die schlechte Stimmung bist du selbst verantwortlich, nicht ich.

Ich: Na toll! So einfach möchte ich es mir auch mal machen! (Äffe seine Worte anschließend genervt nach.)
Noblu (Stemmt jetzt seine Ärmchen in die Hüften. Wird größer.): Pass mal auf!

Ich: Nein, pass du mal auf! So geht es nicht weiter. Wegen dir haben ganz viele Menschen schlechte Laune. Nicht nur ich. Ganz viele Menschen leider unter dir! Du bist schuld! Nicht wir!
Noblu: Du begreifst es einfach nicht, oder? Hast du nicht zugehört, was ich dir gesagt habe? Du bist für deine Laune verantwortlich, nicht ich.

Ich (seufze so genervt wie es eben geht, lenke mich mit Lesen von E-Mails ab, um einen klaren Kopf zu bekommen.): So. Jetzt aber. Was möchtest du mir sagen?
Noblu: Dass du für deine Stimmung verantwortlich bist. Es gibt Menschen, die nehmen zwar auch die Dunkelheit dieser Zeit wahr, aber sie sorgen dafür, dass es ihnen gut geht. In dieser dunklen Zeit sorgen sie ganz besonders für sich selbst. Eben weil die Sonne nicht scheint und gute Laune verbreitet. Weil der bunte Sommergarten mit seinen Düften nicht für Aufhellung sorgt. Sie schauen ganz genau hin, was ihre Stimmung verbessern könnte, probieren aus, so lange bis es ihnen besser geht.

Ich: Also so wie ich es eben gemacht habe?
Noblu: Ja, genau so. Ich bin dafür da, damit du lernst, noch besser für dich zu sorgen. Ob jetzt die Umstellung der hellen auf die dunkle Jahreszeit dir zu schaffen macht, ob in deinem Umfeld irgend etwas ist, dass dir Sorgen bereitet oder irgendwelche Nachrichten dich traurig machen: Du bist für deine Stimmung verantwortlich. Wenn die Bedingungen - so wie ich sie dir mit Dunkelheit und Regen biete - nicht gut für dich sind, dann ist das ein klarer Auftrag für dich, aus deinem gewohnten Alltag auszubrechen und dein Handeln so zu verändern, dass es dir gut geht. Dass kann ein Ritual sein wie eine heiße Tasse Tee bei Kerzenschein, lange und heiß Duschen, den Kaminofen schon vormittags anmachen, damit sich eine kuschlige Wärme ausbreitet, ein Strauß Blumen, der Besuch bei Menschen, die du magst, telefonieren, was schönes Essen, ja auch Schokolade, wenn du das magst, dass kann ein Duft sein, der dir gut tut wie die Sanddorn-Handcreme, die du eben genutzt hast, das kann Musik sein... Was auch immer. Wichtig ist, dass du registrierst: "Die Bedingungen tun meiner Stimmung im Moment nicht gut. Ich muss was für mich tun."

Ich: Okay, das habe ich verstanden. Eigentlich bräuchte ich im Dezember keinen Adventskalender, weil es da so viel schönes gibt. Ich bräuchte einen Novemberkalender, um mit Freude durch die dunkle Zeit zu gehen.
Noblu: Dann merk dir das für's nächste Jahr, dass du das brauchst. Mach dir eine Notiz in deinem Kalender.

Ich: Habe ich gemacht. Eben habe ich gelesen, dass heute der Todestag von Robert Enke ist.
Noblu: Ja. Es geht vielen Menschen in "meiner" Zeit nicht gut. Ich gehöre zum Leben dazu. Die dunkle Jahreszeit gehört zum Leben dazu. Wenn die Sonne scheint, die Blumen blühen, die Kräuter duften, die Vögel zwitschern, dann strömt so viel Positives auf die Menschen ein, was gute Stimmung macht. Da ist so viel Energie, die von außen kommt, dass die Menschen selbst gar nichts tun müssen, um gute Laune zu entwickeln. Die dunkle Jahreszeit - und ich gehöre zum ersten Monat, wo es dunkler ist und nasser, wo die bunten Blätter verschwinden, sich die Stauden im Garten zurück ziehen - ist auch Teil des Lebens. Jetzt gilt es, in sich selbst ein Feuer zu entfachen. Die Menschen sind auf sich selbst zurück geworfen, weil eben keine oder kaum Energie von außen kommt. Selbst, wenn eine Bestellung oder ein Brief eine solche Energie von außen für dich darstellt, ist es nicht gut, dich von ihr abhängig zu machen, Anja.

Ich: Wie meinst du das?
Noblu: Kommt etwas = gute Laune. Kommt nichts = gleich schlechte Laune.

Ich: Verstehe. Und was willst du mir damit sagen?
Noblu: Dass du gut für dich sorgen sollst, unabhängig davon, was von außen kommt. Wenn etwas von außen kommt, ist das gut. Wenn nicht, dann darf das nicht dazu führen, dass es dir schlecht geht. Dann bist du selbst gefordert. Dann gilt es, gut für dich selbst zu sorgen und zu gucken, was dir gut tun könnte. Zum Beispiel die Blumen heute früh oder die anderen Sachen, die wir schon aufgezählt haben.

Ich (seufze): Verstehe. Da kann ich jetzt erst mal drüber nachdenken.
Noblu: Ok.

Das hat gut mir gut getan. Hier noch zwei Bilder von meinem Frühstückstisch:

Rund um die Kerzen habe ich vor zwei Wochen Hortensienbälle aus dem Garten gelegt. Sie sind so weggetrocknet.

Auf meinem Liiiiiiiieblingsteller die Apfeltasche, daneber der Brief, eine Tasse Kaffee, das Daumenkino und darüber Blumen, Blumen, Blumen. Das hat mir gut getan!

Heute will ich liebevoller mit mir umgehen als gestern. Da hatte ich nämlich ein schlechtes Gewissen, weil ich den Rechner "so früh" ausgemacht habe. Ich denke heute ganz stark an Lycinda, die würde mir nämlich folgendes sagen:

Alles ist gut, mein Kind. Du bist in Sicherheit. Alles wird glücklich verlaufen. Guck ganz genau, was in jedem Moment gut für dich ist. Mach dir keine Sorgen. Alles wird gut. Wenn dir danach ist, mach den PC aus. Dir wird dadurch nichts weglaufen, du wirst dadurch keinen Schaden nehmen und dein Geschäft auch nicht. Das allerallerwichtigste ist, dass du gut für dich sorgst. Wenn dir danach ist: Mach den Ofen an und schmeiß einen Film in den DVD Spieler. Warum hast du dir einen deiner geliebten Jane Austen Filme gekauft, wenn du sie doch nicht guckst? Das macht doch keinen Sinn. Du willst darauf warten, bis du wieder krank bist und dann gucken? Nein nein, so lange darfst du nicht warten. Siehst du denn nicht, dass deine Seele diese Auszeiten braucht? Sie dürstet in dieser Zeit nach Streicheleinheiten, nach Ausnahmen, nach dem totalen Verwöhnprogramm. Kontrolliere die Bankeingänge, packe die Pakete, bringe sie zur Post und dann mach Feierabend. Der Newsletter kann warten, auch wenn er schon so lange auf deiner Liste steht. Ja, geh dich heiß duschen mit dem besonders gut nach Kampfer duftenden Duschgel, kuschle dich zu Minu auf die Couch und lass fünfe gerade sein! Das ist die Kunst zu leben, mein Kind!

Ich: Das klingt gut. Seufz. Ich will sehen, was ich umsetzten kann. Denn es gibt Anteile in mir, die kommen damit gar nicht klar.
Lycinda: So? Wer denn?

Ich: Meine innere Betriebswirtin.
Lycinda: So? Warum denn?

Ich: Sie sagt, dass ich mindestens bis fünf Uhr arbeiten muss. Sie sagt, dass ich nicht einfach Pause machen darf. Sie sagt, ich muss noch so viel tun und darf mich jetzt nicht hängen lassen. Sie sagt, ich muss mich ganz doll anstrengen, damit genügend Geld herein kommt.

Lycinda (rückt ihre Brille gerade): So? Woher will sie das denn wissen? Es kann doch genau so gut sein, dass es viiiiiiel besser fließt, wenn du gut für dich sorgst, wenn du langsamer machst und viele Pausen, wenn du viel frei machst und es dir gut gehen lässt.

Ich: Das kann ich gar nicht glauben.
Lycinda: Weißt du denn ganz genau, dass es so ist, wie deine innere Betriebswirtin glaubt?

Ich: Nein.
Lycinda: Siehst du, du folgst ihr aber.

Ich: Ja, weil ich es so gelernt habe. So ist man nun mal als fleissige Deutsche.
Lycinda: Das mag sein, aber weißt du denn, ob du damit wirklich mehr Erfolg hast?

Ich: Nein.
Lycinda: Weißt du denn, ob du damit mehr verdienen wirst?

Ich: Nein.
Lycinda: Siehst du. Wie wäre es denn, wenn du mir glaubst und dir so richtig die Wünsche erfüllst, die du schon lange hast, zum Beispiel gleich Feierabend zu machen und mit dem Film "Sinn und Sinnlichkeit" einen Nachmittag mit Hugh Grant auf der Couch zu verbringen, dabei die Wärme des Kaminofens zu spüren, den Duft auf deiner Haut, das Schnarchen von Minu?

Ich: Seufz. Das klingt so schöööön!

Lycinda: Und, willst du es probieren?

Ich: Ja ich will!

Lycinda freut sich so sehr, dass sie in die Luft springt und dabei ihre Füße aneinander schlägt.

Einen schönen Nachmittag sagt mit einem Lächeln auf dem Gesicht

Anja Kolberg

Erstellt durch: Anja Kolberg am Mittwoch, 10 November, 2010
Thema: Blog - 2010, 2. Halbjahr, Blog - Dunkle Tage
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